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Achtsam Vorgehen


Führen heißt: zielstrebig einen Weg beschreiten. Der Weg zeigt, wo es lang geht und führt zum Ziel. Die Wegbeschreitung ist ein Vorgang. Führen bedarf eines Standes, um zu einem Vorgang werden zu können. Führen ist ein tatkräftiges und gezieltes Vorgehen.

Der Akt des Gehens ist ein wesentliches Merkmal des menschlichen Verhaltens im allgemeinen und des Führungsverhaltens im besonderen. Das gilt im praktischen wie im übertragenen Sinne. Der „aufrechte Gang" ist eine biologische Grundeigenschaft und eine Grundtugend, „durchs Leben zu gehen" eine grundlegende Aufgabe und das persönliche „Wohlergehen" ein Grundbedürfnis.

Das Gehen ist ein körperlicher Vorgang, der in umfassender Weise aktivierend und kraftvoll ist. Grundlage und Ausgangspunkt ist der Stand. Das Stehen ist in den Vorgang des Gehens eingebunden. Der Stand prägt den Schritt und mit jedem Schritt ändert sich der Stand. Der Körper wird in Bewegung versetzt und Schritt für Schritt voran gebracht. Der fortlaufende Wechsel der Schritte bringt eine kontinuierliche Veränderung von Körperhaltung und Körperbewegung mit sich. Jeder Schritt ist zielgerichtet. Mit jedem Schritt wird etwas beeinflusst oder verändert, bewirkt oder erreicht. Große und kleine, schnelle und langsame, leichte und schwere, gleichmäßige und unregelmäßige Schritte haben eine Wirkung, und zwar nach aussen wie nach innen.

Das Gehen ist ein geistiger Vorgang, der das Verhalten auf Schritt und Tritt begleitet: man kommt allmählich in die Gänge, bringt das Gespräch in Gang, geht aufmerksam mit und lässt sich nichts entgehen. Man stellt verschiedene Gedankengänge an, wechselt die Gangart, geht einem Gedanken nach oder möchte das Gesagte rückgängig machen. Man plant sein Vorgehen, setzt sich für den Fortgang eines Vorhabens ein und erzielt Fortschritte. Man stellt sich der Situation oder geht ihr aus dem Wege. Man geht einer Angelegenheit nach und überlegt, wie man damit umgehen kann. Der Vorgesetzte pflegt den Umgang mit seinen Mitarbeitern. Er geht auf sie zu, geht auf sie ein und geht mit ihnen mit. Oder, er geht an ihnen vorbei, übergeht sie, tritt ihnen entgegen oder geht gegen sie an.

Die Führung der eigenen Person steht am Anfang von allem. Jeden Tag stehen wir vor der Frage, wie wir dastehen und wie wir am besten vorgehen. Das gilt für die Erledigung alltäglicher Aufgaben und die Bewältigung beruflicher Anforderungen, die Gestaltung von Beziehungen und die Führung anderer ebenso wie für das Lösen von Problemen, die Erhaltung der Gesundheit und die persönliche Weiterentwicklung.

Nun machen wir uns unser Vorgehen allerdings oftmals gar nicht recht bewusst. In der Regel gehen wir routinemäßig und ohne großes Überlegen vor, gehen so schnell wie möglich voran oder auch einfach drauf los. Dabei sind wir in Gedanken häufig anderswo und mehr mit Vergangenem oder Zukünftigem beschäftigt, als mit dem, was gegenwärtig ansteht, nämlich vorzugehen. Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass wir Umwege gehen, vom eigentlichen Weg abkommen, Rückschritte machen oder auf der Stelle treten, dass etwas daneben oder schief geht und es eben doch nicht so voran geht, wie wir es uns wünschen.

Achtsames Vorgehen ist eine besondere Art bewusst vorzugehen. Es ist ein voll aufmerksamer und konzentrierter Vorgang. Dabei macht man sich klar, wo man steht und konzentriert sich voll und ganz auf jeden einzelnen Schritt. Man wird sich bewusst, dass es auf jeden Schritt ankommt. Dass jeder Schritt durch den vorangegangenen entsteht und den nachfolgenden bestimmt. Dass jeder Schritt ein Ziel ist. Dass sich kein Schritt rückgängig machen lässt. Dass jeder Schritt Folgen hat. Und dass es Fortschritt nur gibt, weil die Schritte entstehen und vergehen.

Achtsames Vorgehen findet auf dem „Weg der kleinen Schritte" statt. Man macht den zweiten Schritt nicht vor dem ersten, macht weniger Riesenschritte und weniger große Sprünge und konzentriert sich auf das, was unmittelbar ansteht. Man fixiert sich nicht auf das Fernziel, sondern richtet sein Augenmerk auf das Naheliegende. Das Interesse maßvoll zu handeln wächst.

Achtsames Vorgehen lässt sich von der Einsicht leiten, dass der eigene Standpunkt weder feststehend noch endgültig ist, es stets mehrere richtige Sichtweisen gibt und man gut daran tut, Menschen und Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.

Achtsames Vorgehen fördert das Loslassen-Können. Es regt dazu an, Vorurteile und Abneigungen, unrealistische Wunschvorstellungen oder sorgenvolle Ängste, Unzufriedenheit und Ärger, Enttäuschung und Ratlosigkeit hinter sich zu lassen. Auf diese Weise sieht man klarer, kann sich besser konzentrieren, ist handlungsfähiger und kommt leichter voran.

Achtsames Vorgehen trägt zum Wohlbefinden bei. Je genauer man weiß, wo es lang geht, je gewisser man ist, die richtigen Schritte zu tun und je bewusster, aufmerksamer und konzentrierter man vorgeht, um so wohler fühlt man sich und um so besser gelingt es einem, auch zum Wohlergehen anderer beizutragen.


Dieter Hinze